Götter & Dienstleister

DDB Worldwide ist eine in 96 Ländern niedergelassene Werbeagentur, die 1949 durch Maxwell Dane, Ned Doyle und Bill Bernbach gegründet wurde.






DDB: Der Dickste Brocken.
Nein, das ist nicht die Abkürzung für DDB, sondern das Agentur-Dickschiff unserer Designreportage schlechthin.

Chronologisch unser letzter Besuch. Wir sind ein paar Minuten zu spät, weil wir den Eingang nicht finden. Mal wieder wissen wir den Namen unseres Ansprechpartners nicht. Wie auch, denn das Treffen wurde über zwei Ecken und die hauseigene Presseagentur in München vereinbart.

Später sitzen wir in irgendeinem Flügel des Gebäudes der Börse Düsseldorf im zweiten Stock auf einem Sofa. Wir warten und fühlen uns wie Fahrradkuriere. Vielleicht werden wir auch für solche gehalten, schließlich werden wir kaum beachtet, bis wir nach circa zehn Minuten von einem Mitt-Dreißiger abgeholt und zum Gespräch gebeten werden. Wie wir später erfahren leitet Dennis May, neben Oliver Kapusta, eine kreative Hälfte von DDB Düsseldorf.

Müde und mit gemäßigtem Elan navigieren wir zum Abschluss unserer großen Agenturen-Odyssee durch den Fragenkatalog und merken erst beim transkribieren des Interviews, wie präzise und souverän Dennis May und Oliver Kapusta als Group-Creative-Directoren das dicke Schiff manövrieren.




Einige Interviewpartner haben uns öfters gefragt wo wir noch hin gehen und als wir gesagt haben, dass wir noch DDB auf dem Plan haben, hieß es: „Oh DDB! Passt auf, die quatschen euch zu!“
Wisst ihr über diese Außenwirkung? Woher kommt das?

Oliver Kapusta

  Neid und Missgunst. Ich kenne die überhaupt nicht.
Vielleicht weil wir doch öfter in der Presse sind. Ich kenne in Düsseldorf maximal sieben bis acht Werber. Und die anderen kennen mich dann wahrscheinlich auch nicht.

Dennis May

  Vielleicht weil Amir Kassaei in der Presse so omnipräsent ist, kommt dadurch der Eindruck, dass wir viel erzählen. Ich habe aber auch nicht das Gefühl, dass wir, zumindest in Düsseldorf, ein bestimmtes Image hätten. Dafür unterhalte ich mich aber auch zu wenig darüber mit anderen Leuten, als dass ich das wüsste.

Wie ist es, in einer so großen Network-Agentur zu arbeiten?

Dennis May

  Ich finde es gut. Es fühlt sich ja nie so groß an.
Man hat immer seine eigene Gruppe und es ist nicht so, als hätte man jeden Tag mit 300 Leuten zu tun. Was aber schön ist, ist, dass man sich mit vielen Leuten austauschen kann. Man hat die Kollegen in Berlin, Hamburg und München.

Man ist Teil von etwas Großem und in unserem Fall auch noch von etwas großem Guten, das für gute Sachen steht. Wenn die Berliner was Schönes machen, freut man sich für die und ist gleichzeitig auch stolz, ein Teil davon zu sein.

Man profitiert von den großen Strukturen und kann auf Sachen zurückgreifen, die es in kleinen Agenturen nicht gibt. Klar, man hat nicht die Flexibilität und das Familiäre, was man vielleicht in kleineren Agenturen hat. Was mir bei uns besonders gefällt ist die Internationalität. Ich habe letztes Jahr in Berlin viel für Reebok gemacht und viel mit den Leuten in London und New York zu tun gehabt. Das ist etwas, was Spaß macht und auch neue Erfahrungen bringt. Das hast du nur im Netzwerk.

Oliver Kapusta

  Wir haben neulich mit den Kollegen aus Chicago für Budweiser zusammengearbeitet. Das hast du in einer kleinen Agentur nicht. Und dann gibt es Spezialisten innerhalb deines Networks für Online und ‚was-weiß-ich-nicht‘.
Da lernst du eine ganze Menge und davon profitierst du auch.

Dennis May

  Wovon du auch profitierst ist, dass sich in einem so großen Gebilde Leute die Zeit nehmen können, um sich um Fragen zu kümmern, wie beispielsweise wo die Branche hin geht...

Amir Kassaei, CCO der DDB Group Germany sagt ja, dass wir kreative Unter­nehmensberater werden wollen und weniger eine Werbeagentur. Das kannst du natürlich nicht machen, wenn du in einer Zehn-Mann-Agentur bist, in der jeder helfen muss, damit es überhaupt läuft.

»Ein Network hat die Kraft oder den Anspruch, eine treibende Kraft für die Branche zu sein.«




Das ist auch ein schöner Ansatz, nicht mit zu schwimmen, sondern das Gefühl zu haben, die Strömung mit beeinflussen zu können.

Wie ist DDB Düsseldorf aufgebaut?

Dennis May

  DDB Düsseldorf gestaltet sich so, dass es zwei Gruppen gibt. Wir leiten je eine davon als Group-Creative-Director.
Wir sind zwei Dreier-Teams, die dann jeweils eine Hälfte der Agentur leiten. Wir sind passend zum Design-Thema des Buches Texter.

Es gibt diese zwei Gruppen und wir sind dann noch mit einem Group-Art-Director und jeweils einem Berater zusammen. Wir in unserer Gruppe kümmern uns um Henkel Waschmittel (Persil, Vernel etc.), Ramazotti, Lipton und das Neugeschäft.

Oliver Kapusta

  Henkel, Hair und BodyCare (Schauma, Fa), Congstar, Canadian Tourism Board und weitere kleine Kunden. Tabak Original, E.ON und Neugeschäft oder projektmäßig. Für die Kollegen aus Berlin helfen wir noch bei Volkswagen.

Dennis May

  Um auf ein Grundwissen zurückgreifen zu können, hat jede Gruppe hier ihre festen Kunden. Man kann nicht einfach einen Kreativen auf ein Projekt ansetzen, ohne für diesen Kundenbereich Erfahrung zu haben.

Oliver Kapusta

  Außerdem erwartet der Kunde einen festen Ansprechpartner.

Wie lange gibt es diesen festen Ansprechpartner, sprich wie hoch ist die Fluktuation bei euch?

Dennis May

  Ich glaube wir sind da ziemlich im Schnitt − gefühlt. Ich kenne keine Zahlen. Es gibt ein paar Leute, die sind schon über zwanzig Jahre hier und es gibt ein paar Leute, die sind erst ein paar Monaten dabei.

Oliver Kapusta

  Ich glaube die Hälfte ist zwischen einem und drei Jahren hier und der Rest länger, also bis zu 12 oder 15 Jahren.

Ich glaube die Fluktuation ist bei uns ein bisschen weniger hoch, als der Durchschnitt. Ich kann es bei mir persönlich sagen: Ich habe nach einer gewissen Zeit immer das Gefühl gehabt, dass ich auch mal auf einem anderen Kunden arbeiten müsste, in einem anderen Gefüge und unter einer anderen Unternehmensphilosophie, um möglichst viel zu lernen. Deshalb habe ich relativ häufig gewechselt.

Dennis May

  Ich habe angefangen und hatte nach eineinhalb Jahren das Gefühl: „Das kann ja nicht alles sein, was es draußen gibt und ich möchte mir doch noch mehr und andere Sachen angucken.“

Ich glaube ein allgemeiner Grund sind bestimmt Karrieregründe. Durch das ganze hin- und herhüpfen kannst du auch einfach und schnell deine Position verbessern. Jedenfalls schneller, als wenn du dir das am selben Ort immer erkämpfen musst. Und es ist wirklich, was Oli auch sagt, diese Kundengeschichte. Ich habe angefangen bei Grey und dort auf O2, Volkswagen und Raiffeisenbank gearbeitet und hatte dann die Möglichkeit zu Jung von Matt zu gehen um dort MINI zu machen. Da überlegt man dann auch nicht so lange, ob man da Bock drauf hat...

Ich glaube dadurch, dass die Kunden auch immer hin- und herwechseln, gibt es alle zwei bis drei Jahre verschiedene Strömungen, welche Agentur diejenige ist, zu der man wechseln sollte. Das zieht dieser Strudel dann einfach mit sich.

Oliver Kapusta

  Je größer eine Agentur ist, desto mehr gibt es auch die Möglichkeit, auf anderen Kunden zu arbeiten. Wenn man in einer kleineren Butze ist, muss man auch wechseln, wenn man nicht zwölf Jahre Werbung für elektrische Garagentore machen will.

»Der Karriere hilft es teilweise durch den Agenturwechsel etwas schneller voran zu kommen.

Je mehr Kunden du gemacht hast, desto mehr Erfahrung hast du gesammelt, desto mehr Probleme hast du bewältigt, desto mehr Geld hast du verdient.«




In vielen Agenturen muss ja die höhere Position frei sein um aufzusteigen. Daher wechseln dann viele in eine andere Agentur direkt in diese Position.

Dennis May

  Es passiert auch nicht selten, dass in der aktuellen Agentur gesagt wird, dass man noch nicht so weit ist und man noch mal ein Jahr warten soll. Aber andere Agenturen, die gerade dringend jemanden brauchen, heben einen in diese Position.
Das ist dann natürlich von Fall zu Fall unterschiedlich ob das berechtigt ist. Je höher man kommt, desto weniger gibt es solche Positionen natürlich auch. Es ist leichter als Art-Director irgendwo hin zu gehen, als als CD-Art, weil es davon vielleicht nur einen auf zwanzig gibt.

Oliver Kapusta

  Ich bin z.B. auch meinem damaligen Art-Director in eine neue Agentur gefolgt. Der wollte unbedingt weg und wenn man mal einen Partner gefunden hat, mit dem es gut funktioniert, wäre das durchaus auch ein Grund, die Agentur zu wechseln.

»Schließlich siehst du deinen Partner öfter, länger und intensiver als deine Freundin.«




Wie lange arbeitet ihr auf den eingangs erwähnten Kunden?

Oliver Kapusta

  Das variiert extrem, genauso, wie es eine gewisse Fluktuation in der Agentur gibt, gibt es das auch bei Kunden. Fa haben wir seit 18 Jahren. E.ON seit über einem Jahr.

Dennis May

  Der längste Kunde, den wir im Netzwerk haben, ist Volkswagen. Mit dem haben wir damals das Büro hier aufgemacht. Das war 1962 oder 1964.

Gibt es viele Kunden, die nach ein paar Jahren wieder weggehen?

Dennis May

  Klar. Das hat unterschiedlichste Gründe. Das passiert gerne mal, wenn auf Kundenseite Leute wechseln und die Personen, die selbst neu dahin kommen, eine Agentur mitnehmen, um unvorbelastet zu sein. Das gilt für die gesamte Branche.

Der Trend geht eher dazu über, dass man keine festen Verträge mehr macht, sondern nur noch Verträge für einzelne Projekte. Dass man quasi für jedes Projekt wieder neu ausschreibt um − positiv formuliert − möglichst viele Möglichkeiten zu haben oder − pessimistisch formuliert − bessere Preise zu bekommen.

Oliver Kapusta

  Wobei viele Kunden von uns einen Agentur-Pool haben. Das sind dann zwei oder drei Düsseldorfer Agenturen unter denen die neuen Projekte jedes Mal ausgeschrieben werden. Dann kann der Kunde sich aus dem präsentierten − in unserem Fall von TBWA, KemperTrautmann aus Hamburg und DDB − das aussuchen, das am besten seine Probleme löst. Das gibt es bei vielen Kunden, wie zum Beispiel bei Volkswagen.

Es gibt also vorher einen Pitch und die Agentur, die gewinnt, kriegt dann den Vertrag für das Projekt. Die fragen also nicht Agenturen aus der ganzen Welt, sondern nur die in ihrem Pool. Weil Kunden aus spezialisierten Gebieten, wie Haarwerbung beispielsweise, auch Agenturen mit einer gewissen Expertise brauchen. Diese Agenturen hat der Kunde dann rausfiltriert.
Also einerseits arbeitest du langjährig mit denen zusammen, aber eben nicht auf allen Projekten, weil manchmal eine andere Agentur gewinnt.

Macht ihr dann speziell etwas zur Kundenbindung?

Oliver Kapusta

  Gute Arbeit. Was genau meint ihr?

Das reicht ja von Kundengeschenken zum Geburtstag bis hin zum Einkaufen mit dem Kunden auf der Kö und treibt teilweise ganz seltsame Blüten...

Dennis May

  Ich glaube das ist eher Oldschool. Also man kann nicht ausschließen, dass das jetzt nicht auch noch gemacht wird, aber für uns kann ich so Geschichten wie auf der Kö einkaufen gehen ausschließen.
Wir sind da sowieso die falschen Ansprechpartner, weil wir in der Kreation nicht täglich mit dem Kunden in Kontakt sind. Zumindest nicht im Kunden-Bindungs-Programm. Aber trotzdem: Grundsätzlich versucht man Kunden dadurch zu binden, dass man ihnen die besten Lösungen bietet.

Oliver Kapusta

  Ich würde es nicht unbedingt als Kundenbindung ansehen, aber wir haben natürlich auch so Veranstaltungen, die außerhalb der Arbeit stattfinden. Da werden auch mal drei Gläschen Ramazotti getrunken (gerade wenn man Ramazotti als Kunden hat) und es artet auch schon mal auf ein Bier auf privater Ebene aus oder man geht mal Kegeln. Das machen oder haben wir regelmäßig gemacht, weil es dazu hilft, den Kunden auch etwas näher kennen zu lernen − nicht nur im Meeting-Raum oder im Anzug − sondern auch mal ‚neben der Spur‘. Aber ich würde das eigentlich nicht als Kundenbindung bezeichnen. Das macht ja Spaß und wenn man tagtäglich zusammen arbeitet, macht es ja auch Sinn, da man sich bei einem Bierchen anders unterhält als im eng getakteten Meeting.

Dennis May

  Zumal es auch wirklich ab und zu vom Kunden ausgeht. Es ist also keine Geschichte, die nur die Agenturen machen, um besonders gut da zu stehen, sondern es ist auch eine Art Bedürfnis. Das klingt vielleicht ein wenig viel, aber ich glaube man möchte auch gerne außerhalb von „Haben Sie das Briefing gut erfüllt? Ja. Auf Wiedersehen“ auf privater Ebene quatschen, um zu sehen, wer hinter den Briefings steht.

Geht man auch mit den Mitarbeitern ein Bier trinken?

Dennis May

  Wenn man gerade ein großes Projekt hinter sich gebracht hat, bietet es sich an, dass man zusammen feiern geht. Aber außer Sommerfeste und Weihnachtsfeiern gibt es eigentlich keine großen Rituale. Außer einmal im Monat Kinoabend: jemand aus der Agentur schlägt einen Film vor, den wir dann gemeinsam in der Cafeteria gucken.

Oliver Kapusta

  Wir haben auch Vorträge, bei denen sich die Kreativen in der Cafeteria ein Thema aussuchen und eine kleine Präsentation dazu halten. Dabei wird dann ein Bierchen getrunken, danach ein bisschen diskutiert und die ersten kickern dann schon. Das ist eher ein lockeres Zusammenkommen, zuhören, präsentieren, gucken was die so bewegt... Das hat einen halbprivaten Charakter.

Dennis May

  In der Cafeteria gibt es einen Kicker, eine Dartscheibe, einen selbstgebauten Tischtennis-Tisch. Es gibt also schon Sachen, bei denen man sich zwischendurch privat rausziehen kann und ich glaube es ist auch fast wichtiger, mal eine halbe Stunde am Tag was machen zu können, zumindest für die Kreation, als alle zusammen einmal in zwei Monaten.

Damit man ein bisschen den Kopf frei kriegt, wenn man bei einem Projekt nicht weiter kommt. Dann tut es ganz gut, beim Dart nicht weiter zu kommen. Dann denkt man wenigstens über etwas anderes nach.

Den Kicker gibt es ja scheinbar in jeder Agentur obligatorisch...
Warum ist das so verbreitet?

Dennis May

  Hier ist gerade die Dartscheibe im Kommen.

Oliver Kapusta

  Der arme Kicker wird jetzt sträflich behandelt.

Dennis May

  Aber das ist halt leiser. Da freuen sich dann auch die Kollegen, die noch im Büro sitzen.

Oliver Kapusta

  Meinen allerersten Tischkicker hatte ich bei Springer&Jacoby, 1997.

Du kannst natürlich auch Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiele hinstellen, aber was gibt es, das du zu viert spielen kannst, das Spaß macht, schnell geht und an dem man sich abreagieren kann?

Du brauchst ja irgendetwas, an dem du Luft ablassen kannst. Wir haben auch irgendwo eine Wii und manche Agenturen haben eine Playstation. Aber Kicker hat auch etwas wenig autistisches, weil Leute zugucken, du dein Bier drauf abstellen und ein bisschen rumdaddeln kannst, wie in der Kneipe.

Und was ist mit dem BAC?

Oliver Kapusta

  Ja, da nehmen wir dieses Jahr wieder Teil. Letztes Jahr auch schon, allerdings weniger erfolgreich. Unsere Jungs waren Vorletzter und die Letzten war eine Mädchen-Mannschaft. Das war knapp.

Dennis May

  Ich trinke halt überhaupt nicht und deshalb war ich noch nie auf dem BAC, weil ich glaube, das hält man nicht aus, wenn man drei Tage am Stück stocknüchtern unter drei Tage lang stock-Betrunkenen ist.

Oliver Kapusta

  Ich spiele kein Fußball aber dafür trinke ich und vielleicht fahre ich dieses Jahr mit.
Eigentlich bin ich auch schon zu alt für den BAC. Aber es gibt ein gemischtes Team aus Hamburg, Berlin und Düsseldorf.

Geht es denn da überhaupt darum zu gewinnen?

Dennis May

  (flüsternd) Nein!

Oliver Kapusta

  Ich glaube die Jungs, die da richtig spielen, haben eine Portion Ehrgeiz dabei. Ich erinnere mich − das sind auch schon olle Kamellen − damals wurde ein Zweitliga-Torwart als Praktikant bei Springer&Jacoby eingestellt, damit die Bude sauber bleibt.
Ich glaube das ist nicht mehr ganz so schlimm...
Es gibt mitterweile ein Regelwerk, das solche Sachen exkludiert, aber ich glaube schon, dass da ein gewisser Ehrgeiz dabei ist. Klar. Wie das im Sport so ist. Dann ist es noch eine andere Agentur, gegen die du spielst... Aber in dem Moment in dem die Trillerpfeife tönt ist auch Feierabend, dann wird ein Bierchen getrunken und gefeiert.

Feiert sich da die Szene selbst?

Oliver Kapusta

  Beim BAC geht es schon darum, Spaß zu haben. Du feierst dich zwar auch, wenn du gewonnen hast, aber ganz anders.

»Ich glaube, beim BAC geht es mehr um das Ego, das in der Branche vermehrt auftritt.

Beim ADC oder so gibt es dann die Leistungsshow: wer war kreativ und wer nicht, wer hat tolle Sachen gemacht.«




Dennis May

  Da gibt es schlimmere Veranstaltungen.
Das Einzige, was man da feiert ist, dass man in einer Branche lebt, in der man so etwas machen kann. Man kriegt so Leute mit, die frisch von der Uni kommen und sich fragen, was man da macht. Da freut man sich und lebt das exzessiv aus.
Aber dieses ‚sich-selber-feiern‘ findet eher da statt, wo man sich mit den Arbeiten präsentiert, wo man sich vergleicht und erzählt, wie toll man ist.

Oliver Kapusta

  Ich war mal auf einem BAC, da haben die den Beckenbauer mit dem Hubschrauber einfliegen lassen und jede Agentur hat sich präsentiert mit Verkleidung und Cheerleadern. Dadurch, dass wir damit, dass man eine Idee hat und die Sachen dementsprechend kommuniziert und drum herum ein bisschen was aufbaut, auch unser Geld verdienen, hat man dort die Chance, das für sich selber zu machen und nicht immer nur für deine Kunden. Also genießt man, dass man das kann und lässt es ein bisschen raus. Aber das ist ja lustig.

Wie ist das dann bei den Awards?

Dennis May

  Ich glaube, auch da ist das ‚sich-selber-feiern‘ nicht der richtige Begriff. Da geht es eher um...

Oliver Kapusta

  Schwanzvergleich! (lacht)

Dennis May

  Ja. Ich habe nach einem besseren Wort dafür gesucht...
Wenn man da über die Partys rennt, gibt es schon einige Leute, die es cool finden, dass man sie auf der Bühne noch erkennt. Aber ich glaube, das ist auch normal. Da geht es ganz klar mehr darum, zu zeigen: die eine Agentur hat dieses Jahr so viele Nägel und die andere nur so viele. Dass dadurch eine Art natürlicher Neid oder eine Konkurrenz-Situation geschaffen wird, die auch sportlich ist − schließlich geht es um den Inhalt − ist klar.

Oliver Kapusta

  Das ist ein Wettbewerb. Auch da glaube ich, dass man als allererstes − gerade bei internationalen Awards − seine Branche feiert. Du möchtest natürlich auch, dass Deutschland als Werbeland wahrgenommen wird. In Cannes freue ich mich beispielsweise auch über eine Arbeit aus der Heimat, weil ich mich dann − so wenig patriotisch wie ich bin − mich ein wenig als Deutscher fühle und denke: „Endlich haben wir den Anschluss geschafft.“

Bei nationalen Veranstaltungen ist man manchmal ein bisschen neidisch über eine gute Idee, manchmal fragt man sich, warum gerade diese Arbeit gewonnen hat und bei anderen denkt man sich: „Das hätte ich auch hingekriegt.“ Ich glaube, das ist ein ganz normaler Wettbewerb, den auch jeder Automobil-Hersteller hat, wenn er z.B. den MINI hinstellt. Dann gibt es bei Volkswagen auch Ingenieure, die sagen, dass die das gut gemacht haben und sich fragen, warum ihnen das nicht eingefallen ist, aber deswegen nicht suizid-gefährdet sind oder Steine in den MINI werfen.

Legen nur Agenturen auf Awards wert oder auch deren Kunden?

Dennis May

  Das hat eine Dimension für jeden Einzelnen.
Für jeden Junior-Art-Director ist es schöner etwas zu gewinnen, als nicht zu gewinnen, weil das ja auch etwas ist, das man später in den Lebenslauf schreiben kann. Für die Agenturen untereinander natürlich auf jeden Fall auch.

Als ich bei Jung von Matt war, war es das Schlimmste, das passieren konnte, hinter Springer&Jacoby zu sein. Es war dann egal, ob man Dritter oder Fünfter war. Hauptsache Springer&Jacoby war hinter einem. Das ist dann schon eine Konkurrenz-Geschichte.
Wenn in der Horizont steht: „Jung von Matt − erfolgreichste Agentur beim ADC“ spricht das natürlich auch den Kunden an, der gerade dabei ist, eine neue Agentur zu suchen.

Oliver Kapusta

  Es gibt natürlich auch Kreative, denen ist das vollkommen Wurst. Aber wenn man sich einaml darauf einlässt...

Dennis May

  Wenn man länger schon in der Branche ist und schon ein paar Mal mitgemacht hat, fällt es einem auch leichter zu sagen, dass es einem egal ist. Es gibt seit ein paar Jahren ein Urteil, dass man seine Geschäftszahlen nicht mehr veröffentlichen darf. Insofern sind Kreativ-Rankings das Einzige, das Agenturen noch rausgeben können.

Oliver Kapusta

  Die Kunden werden ja auch ausgezeichnet.
Wenn Volkswagen den Titel ‚erfolgreichster oder kreativster Kunde“ erhält, ist das ja auch für Volkswagen gut.
Im günstigsten Fall identifiziert sich eine Marke, die Mitarbeiter oder der Kunde mit dem, was nach außen kommuniziert wird und zeigt den neuen Werbespot, den er gemacht hat abends seiner Frau. Wenn der Spot dann kreativer ist als das, was der Rest der Branche macht, ist das auch eine Auszeichnung.

Es gibt beim ADC auch den ‚Kunden des Jahres‘ z.B. für Marketing-Verantwortliche, die für ihre Arbeit ausgezeichnet werden.

Dennis May

  Ich glaube das ‚sich-selbst-feiern‘ kommt ein bisschen daher, dass Leute in Frage stellen, ob Werbung es überhaupt wert ist, dass man dafür Preise vergibt. Aber das ist wie in jeder Branche. Für jeden, der sich im Dunstkreis dieser Branche bewegt, hat das eine hohe Relevanz.

Auch Studenten schauen sich ADC-Bücher an, um zu gucken, was gerade gemacht wird und bei welchen Agenturen sie sich vorstellen könnten zu arbeiten.

»Im Prinzip geht es bei Awards nur um den Stolz, dass man so etwas macht...

und um das Gefühl, nicht die zu sein, die sofort weggezappt werden, sobald das Werbezeichen kommt.«




Was sagt ihr zu Kampagnen, die ausschließlich für einen Award gemacht werden?

Oliver Kapusta

  Solange ich in der Werbung bin ist das ein Thema und ich mache das jetzt seit zwanzig Jahren. Manche sagen das ist Schwachsinn und nicht relevant.
Im Laufe der Jahre gehöre ich auch zu denen, die eher stolz auf Sachen sind, die in ganz Deutschland zur Primetime gelaufen sind und trotzdem noch etwas gewinnen.
Auf der anderen Seite geht es darum, wie kreativ man sein kann und das geht im normalen Tagesgeschäft eher schwierig. Deswegen sitze ich da ein bisschen in der Mitte.

Wir sind beide auch ADC-Mitglieder. Eigentlich geht es ja darum relevante Kreation auszuzeichnen, die eben ausgezeichnet ist. Dieses Thema wird gerade in der letzten Zeit immer kritischer betrachtet. In Cannes gibt es jetzt Regeln und es wird immer weiter minimiert.

Dennis May

  Das ist dann so ein bisschen die Prototypen-Abteilung. Im Prinzip ist es ja eine Zur-Schau-Tragung dessen, zu was man in der Lage ist, wenn die Kreativität nicht durch vermeintlich nicht sinnvolle Restriktionen beschnitten wird.

Grundsätzlich gibt es das natürlich und seit drei oder vier Jahren ist es vorbei, dass Agenturen sagen, dass sie das nicht machen. Aber es ist unglaublich wichtig für die Mitarbeiter. Wenn du gute Teams hast, die auf Kunden arbeiten, bei denen es eher zäh zur Sache geht, weil Projekte aus welchen Gründen auch immer gestoppt werden, ist das eine gute Sache, um das aufzufangen. Es ist aber auch eine gute Sache für Kunden aus dem Tagesgeschäft, weil du unfassbar viel dadurch lernen kannst, wenn du ein bisschen freier und instinktiver an die Sache rangehst.

Der grundsätzliche Anspruch von DDB ist es, immer zu versuchen, dass die Sachen Hand in Hand gehen. Das beste Beispiel dafür ist Horst Schlämmer vor zwei Jahren. Das war eine echte Arbeit, die ganz Deutschland erreicht hat und dabei 13 Nägel gewonnen hat. Diese Überschneidung hat man aber nicht so häufig und dadurch sitze ich bei dem Thema auch in der Mitte.

Ein Kollege von TBWA Paris, mit dem ich gesprochen habe, sagte − durchaus übertrieben − sie machen nichts außer Gold-Ideen. Man darf es nicht zu extrem machen aber sollte sich dem auch nicht komplett versperren, weil es einfach Realität ist. Wenn wir von heute auf morgen sagen würden, dass wir das nicht mehr machen, hätten wir ein Problem mit den Leuten. Die würden dann lieber zu denen gehen, bei denen sie das machen können, damit sie später schöne Arbeiten in der Mappe haben.

Oliver Kapusta

  Da muss man dann auch differenzieren. TBWA Paris ist ein gutes Beispiel. Die machen auch Sachen und reichen das ein, ohne, dass der Kunde das freigegeben hat. Ich war mal in einer Jury beim Golden Drum Festival, da hing eine ganz fürchterliche Arbeit mit dem Tor von Auschwitz. Da stand „Arbeit macht frei“ und darunter das Logo von Playstation2 mit „More Leasure Time“ oder so ähnlich. Also eine so bescheuerte Geschichte, dass wir alle davor standen und uns dachten, dass das ja nicht angehen kann. Wir haben dann recherchiert, dass das aus Slowenien kommt und haben da angerufen... Diesen Scheiß hat der Kunde selbstverständlich nie gesehen, geschweige denn freigegeben. Die haben das dann verbannt und eine große Pressekonferenz gegeben...

Wenn aber ein Junior-Team reinkommt und sagt, sie haben eine gute Idee für Volkswagen ohne Briefing und Volkswagen findet die gut, ist es zwar nicht auf Basis eines Briefings, aber für einen realen Kunden entstanden. Der Kunde muss es freigeben und die Schaltung bezahlen. Dann ist das für mich völlig legitim. Da gibt es diverse Abgrenzungen und Abstufungen. Aber diese Diskussion ist so alt wie... ich.

Dennis May

  Das Problem ist ja, dass es inflationär viele Festivals gibt. Wenn man wollte, könnte man alle zwei Wochen irgendwelche Deadlines einhalten müssen. Dagegen sperrt man sich jetzt auch. Wir reichen dieses Jahr nur zu fünf Festivals ein. Wenn du in Usbekistan Bronze gewonnen hast − also nichts gegen Usbekistan − aber man sollte sich fokussieren und das ganze nicht zu inflationär betreiben. Es gab auch Jahre, in denen plötzlich die Verhältnismäßigkeiten nicht mehr gestimmt haben, dass man sich über einen Preis nicht mehr freut.

Oliver Kapusta

  Die Zeiten in denen offensichtliche Fakes nominiert wurden sind zum großen Teil auch vorbei. Und das ist ja auch richtig so. Das ist dann auch nur noch albern.

Kann man mit jedem Kunden einen Award gewinnen?

Dennis May

  Man kann nicht mit dem normalen Tagesgeschäft immer Awards gewinnen.

Wieviel Anteil hat das normale Tagesgeschäft?

Oliver Kapusta

  99 Prozent? Nein, das hängt natürlich immer vom Kunden ab. Bei manchen Kunden hast du eher die Chance. Auf ‚mainstreamigere‘ Kunden, die auch ‚mainstreamigere‘ Produkte vertreiben und einen eher konservativeren Marktforschungs-Pre- und Post-Test-getriebenen Ansatz haben, ist es gleich Null. Die meiste Marktforschung killt Kreativität. Vor allem, wenn man sich sklavisch daran hält.

Ist man als Designer Dienstleister, der die Message zum Endverbraucher bringt oder sagt man: „Ist mir egal, ich mach jetzt eine super Gold-Idee“?

Dennis May

  Ich glaube ‚entweder oder‘ kannst du schlecht machen. Du kannst dir die Sachen vernünftig betrachten und schauen wo du Chancen hast, so etwas zu machen. Wenn man jetzt lange darüber spricht, klingt es so, als wäre das Tagesgeschäft das, was lästig ist und was man nebenbei machen muss, wobei es ja genau anders herum ist.

Wenn man eine tolle Lösung für den Kunden findet, dessen Problem löst und dessen Produkt besser verkauft, womit man aber nirgendwo einen Preis gewinnt, ist dieser Job der bessere und der wichtigere. Da freut sich ein Kunde auch mehr drüber als über einen Nagel.

Man muss schauen, dass man im Rahmen der Briefings so gute, kreative und handwerklich exzellente Arbeit machen kann wie irgend möglich. Wenn man aber merkt, dass man einen achtseitigen Produktbeileger mit 47 Features und 13 Stockphotos machen muss, sieht man ja vorher, dass das nicht die Arbeit ist, die man sich nachher in die Mappe packt. Deswegen sorgt man sich dann mehr um andere Projekte, bei denen man weiß, dass man dort noch mehr Arbeit reinstecken muss, weil das mehr Chancen hat. Nicht dass der Eindruck entsteht, die Hauptsache ist es Gold zu machen und den Tagesgeschäfts-Kram packen wir noch nebenbei ab.

Oliver Kapusta

  Ich sehe auch die beiden Pole nicht so.

»Kreativität verkauft und nicht jede Art der Kreativität kann man auf die Spitze treiben, um damit einen Award zu gewinnen.«




Ich habe nichts gegen eine gut gemachte Mainstream-Kampagne, die die Leute berührt, aber im Rahmen eines Festivals keine neuen Maßstäbe setzt. Es ist definitiv nicht das doofe Tagesgeschäft und die lustigen Award-Ideen, sondern wir versuchen auf jedem Projekt mit oder jedem Kunden herauszufinden, wie viel Kreativität einzubringen ist. Man muss es auch der Zielgruppe angemessen machen. Manche Sachen sind dann eben zu spitz und funktionieren nicht im Markt. Da ist es dann fahrlässig das trotzdem so zu machen.

Kollidiert ihr da manchmal mit dem Kunden, weil ihr denkt, die Idee ist so gut, dass man sie machen muss?

Dennis May

  Klar. Das gibt es immer wieder. Das sind aber die normalen inhaltlichen Auseinandersetzungen. Das Schicksal des Kreativen ist ja, dass die letzten 30 Prozent Bauchgefühl sind. Am Ende kommt es zu einem Meeting, an dem du deine Sachen zeigst und da sitzen drei Leute, denen es gefallen muss. Es ist nicht so, dass diese Leute dann überall ein Häkchen dran machen, weil alle Briefing-Punkte erfüllt sind, sondern es ist auch eine Geschmackssache.

Oliver Kapusta

  Manche Kunden können abstrahieren, dass sie selber gar nicht die Zielgruppe sind und es ihnen deswegen gar nicht gefallen müsste. Aber eben nicht alle. In großen und renomierten Agenturen lassen sich die Kunden auch eher mal auf so etwas ein, weil sie wissen, dass da eine kreativere Kampagne kommt, als bei kleineren Grafik-Butzen − ohne das dispektierlich meinen zu wollen.
Diesen Konflikt hast du aber oft.

Wie lange kämpft man um seine Idee?

Dennis May

  Bis man merkt, dass es zu spät ist. Manchmal merkt man aber auch schon im ersten Meeting, dass es nichts bringen wird, egal was man macht. Das lernt man mit der Zeit, weil man selber mehr Erfahrung hat und immer mehr Kunden kennt. Was man auf jeden Fall lernt ist, nicht zu oft und nicht zu viel zu kämpfen, weil sich das irgendwann abnutzt. Wenn man aus Reflex schon kämpft, egal welche Reaktion vom Kunden kommt, wird der Kunde einem nicht mehr zuhören, wenn es wirklich mal um etwas Wichtiges geht.

Habt ihr so etwas, wie einen Ideenfriedhof?

Dennis May

  Ich habe einen Ordner, der heißt „§218“, für abgetriebene Ideen. Die gucke ich mir später an und weiß auch, warum mir die Ideen abgeschossen wurden.

Man sollte schon alles aufschreiben, damit man wieder darauf zugreifen kann, weil Ideen, die für die eine Sache falsch waren, für eine andere goldrichtig sein können und dann ist es ärgerlich, wenn man sich nicht mehr daran erinnern kann. Wir haben seit letztem Jahr zur Weihnachtsfeier ein ‚Dead-Idea-Festival‘. Da durfte jeder seine Ideen, die nicht weiter verfolgt wurden einschicken und die besten haben wir dann ausgezeichnet. Zombie-Ideen sozusagen.

Hat man es bei einer Agentur mit großem Namen in Bezug auf den Kunden einfacher?

Oliver Kapusta

  Klar. Wenn da DDB, Jung von Matt oder Springer&Jacoby auf der Visitenkarte steht, hat der Kunde eine Geisteshaltung, dass er im ersten Moment vielleicht geschockt ist, sich dann aber sagt, dass die immer solche Sachen machen und dass an der Idee vielleicht etwas dran sein muss, obwohl er das total bescheuert findet.

Während ‚Hummelmeier, Schmidt & Partner‘, von denen er noch nie etwas gehört hat, mit etwas krudem um die Ecke kommt, fragt sich der Kunde, ob die doof sind und sagt denen, dass sie wieder nach Hause gehen können.

Jede Agentur lebt ja von dem, was sie gemacht hat, dadurch entsteht eine gewisse Reputation, auch in ungewöhnlicheren Lösungen und dementsprechend ist die Bereitschaft des Kunden erheblich höher.

Haben es kleine Agenturen schwerer, an große Kunden zu kommen?

Oliver Kapusta

  Nein, für unbekannte Agenturen ist das umso schwerer. Es gibt ja auch Neugründungen, die zeigen, dass man − wenn man es einmal hingekriegt hat − ganz schnell nicht mehr unbekannt ist.

Ist es für kleine Agenturen schwerer, Awards zu gewinnen, weil sie es sich vielleicht nicht leisten können, abseits vom Tagesgeschäft auch noch Award-Projekte zu machen?

Dennis May

  Ich glaube nicht. Zum Beispiel haben letztes Jahr ‚Lukas Lindemann Rosinski‘, die alle von Jung von Matt kamen und quasi einen großen Namen mitgenommen haben und gute Kundenbeziehungen hatten, mit nur dreißig Mann neun Löwen gewonnen. Die waren da auch keine Riesen-Agentur und haben mit Projekten gewonnen, die toll waren aber auch keine deutschlandweiten Kampagnen waren. Die Qualität der Idee entscheidet am Ende.

Oliver Kapusta

  Es hat geholfen, dass es alles Marken waren, die man kannte.

»Wenn du eine kleine unbekannte Agentur bist und die Schlachterei um die Ecke als Kunden hast, wird es schon schwieriger.

Aber wenn da ein Mercedes-Stern, ein Porsche-Logo oder ein Schwarzkopf-Kopf drunter klebt, ist es eben ein bisschen einfacher.«




Dennis May

  Da gibt es auch keine richtige Regel. Es gibt durchaus große Agenturen, die bei Awards keine Rolle spielen, obwohl sie mitmachen und es gibt kleine Agenturen, die hauptsächlich bei Awards auffallen.

Der positive überraschungseffekt ist bei kleinen Agenturen mit einem kleinen Kunden doch erheblich größer, als wenn wieder mit VW gewonnen wird.

Dennis May

  Das hängt auch davon ab, ob das innerhalb Deutschlands oder international passiert. International ist es immer noch so: wenn du die selbe Idee mit einem Nike-Logo oder Sportschuhe Hüpfel drunter machst, gewinnt das Projekt für Nike den Löwen und das andere nicht, weil es einfach die Aura der großen, kreativen Marke hat.

Wie wichtig ist der große Name im Lebenslauf?

Dennis May

  Ich habe als Junior bei GREY in Düsseldorf angefangen, war vorher auf der Texterschmiede in Hamburg. Damals gab es Jung von Matt 1:1 in Frankfurt noch, die suchten einen Texter und die hatten mich angeschrieben, weil ich in Hamburg in einer Direkt-Agentur Praktikum gemacht habe.

Ich habe mich dann mit denen getroffen aber schnell gemerkt, dass ich nicht nach Frankfurt möchte. Damals habe ich denen gesagt, dass wenn sie eine Stelle in Hamburg haben, ich Interesse hätte. Dort war es dann so, dass es meinen damaligen Chef schon überzeugungskraft gekostet hat, überhaupt Leute von GREY zu holen. Einfach weil GREY nicht den kreativen Ruf hat.

Als ich dann bei Jung von Matt war und dann den Namen im Lebenslauf stehen hatte, genauso wie es bei den üblichen Verdächtigen: DDB, Springer&Jacoby, Scholz&Friends oder Heimat der Fall ist, ist es einigermaßen einfach, zumindest zu einem Gespräch eingeladen zu werden und es dann auch anfängt, dass Leute sich für dich interessieren.

Oliver Kapusta

  Ist ja auch logisch, weil die Arbeit der eben genannten Agenturen eine gewisse Qualität hat. Wenn du auf einer Uni warst, die einen bestimmten Ruf hat, kriegst du später vielleicht auch leichter einen Job, als bei einer anderen. Du lernst in solchen Agenturen auch mehr und das wissen die anderen Agenturen auch.

Ihr seid beide Mitglied im ADC. Wie kommt man da rein?

Oliver Kapusta

  Man wird vorgeschlagen und nach ein paar Gesprächen, musst du dich dem ADC und seiner Konstellation am entsprechenden Ort − Düsseldorf, München, Berlin und Hamburg − deine Sachen präsentieren. Dann musst du den Saal verlassen und wenn die Qualität deiner bisherigen Arbeit dem Anspruch des ADC entspricht wirst du aufgenommen.

Hilft es, wenn man vorher schon beim ADC gewonnen hat?

Dennis May

  Hilft! Wenn du da ankommst und sagst, dass du zwar noch keinen Nagel gewonnen hast, aber gerne mitmachen würdest, wirkt das komisch.

Oliver Kapusta

 „Ich kann so kreativ sein, wenn ich will, ich durfte nur bisher nicht...“
Die Arbeiten die du zeigst müssen ein gewisses kreatives Level haben und das sind ja meistens auch die Arbeiten, die schon mal was gewonnen haben.

Ist es als Mitglied einfacher dort zu gewinnen?

Dennis May

  Nein. Bis die Shortlist steht, sitzen da 17 Leute aus der Jury und machen anonym ihre Häkchen und verteilen Schulnoten. Danach wird offen darüber diskutiert, wen man besser findet. Aber da sagt niemand: „Ich habe dir ja grad meine Stimme gegeben, also gib mir auch deine!“
Was Leute auf dem Flur erzählen weiß ich nicht, aber das ist dann einer von 17.

Das mit der Vetternwirtschaft ist wirklich eine schwierige Geschichte. Ich bin erst seit drei Jahren im ADC und ich dachte am Anfang auch man muss die ganze Zeit mit Leuten sprechen und versichern, dass man für einen wählt.
Es war überhaupt nicht so, dass man das Gefühl hat, man wird unter Druck gesetzt − was mich gefreut hat. Es wird wirklich offen darüber gesprochen, ob es eine gute Idee ist.
Wenn zum Beispiel über eine Arbeit von DDB gesprochen wird, darf ich mich gar nicht dazu äußern und darf auch nicht dafür stimmen.

Oliver Kapusta

  Ich musste dabei den Saal verlassen. Deswegen kannst du da auch nicht wirklich was machen. Im Endeffekt machst du dich dann auch lächerlich. Die Köpfe der Jury stehen im Buch und wenn sich das ganze Land fragt, warum der Scheiß ausgesucht wurde, machst du das auch nicht.

Du hast ja auch einen gewissen Anspruch an dich selber und an die Sachen, die du gut findest. Natürlich geht es da um die beste Idee, aber es ist ja auch ein Wettbewerb. Ich fand, dass sich das alles ganz gut nivelliert hat.

Dennis May

  Das einzige das Einfluss hat, sind Ideen aus anderen Awards, die schon andere Preise gewonnen haben. Das ist aber glaube ich schon fast ein natürlicher Reflex, dass du das auch gut findest, wenn es schon was gewonnen hat.

Aber das hat ja nichts mit Vetternwirtschaft zu tun. Genauso wie die CLIO-Gewinner zu 70 Prozent die Cannes-Gewinner sind. Das sind die Golden Globes und Oscars in klein − ganz klein.

Von einem Ende, den Awardshows, zum anderen, dem Berufseinstieg: Hattet ihr vor dem Berufsstart Vorurteile über den Beruf oder die Szene?

Dennis May

 Die koksen die ganze Zeit und hängen nur auf Partys... sowas hat man aber auch nur aus schlechten Vorabendserien. Das waren dann auch Klischees, die man nicht wirklich erwartet und daher auch nicht bestätigt gefunden hat.
Vielleicht war es mal Mitte der 80er so.

Eigentlich hatte ich kein Klischee, von dem ich erwartet hätte, dass es erfüllt wird. Ich bekomme das von Freunden mit, die es total verrückt finden, dass wir hier Bier kriegen. Aber das sind dann die Leute, die in der Sparkasse arbeiten und jeden Abend saufen gehen.

Oliver Kapusta

  Ich hatte Befürchtungen, weil ich aus der kleinen Stadt ins große Hamburg kam und dachte da laufen bestimmt nur die Jungs mit den schwarzen Designer-Rollies mit langen Designer-Zöpfen rum, so wie ich auch einen hatte, als ich noch jung war. Und ich war überrascht, dass es doch relativ viele nette Menschen gab in der Werbung, die sich selber nicht so wahnsinnig wichtig genommen haben. Das zog sich eigentlich durch alle Agenturen, in denen ich bislang war.

Ich habe noch die Ausläufer der wilden Partyzeit mitbekommen.

»Ich weiß auch nicht,
wodurch sich das Bild von diesen Spinnern in schwarzen Klamotten, die sich selber extrem wichtig nehmen, in der Außenwelt so gefestigt hat.«




Im Durchschnitt arbeiten wir doch viel länger als in diversen anderen Branchen und wenn man so intensiv arbeitet und dann mal feiert, feiert man eben auch genauso intensiv und macht vielleicht ein bisschen mehr Brimborium.
Ich erinnere mich an Weihnachtsfeiern unter Tage und am Freihafen. Das wurde alles etwas exzessiver betrieben, weil man auch exzessiver gearbeitet hat und vielleicht auch exzessiveren Erfolg hatte.

»Es ist ja so: je unwichtiger man wird, desto wichtiger nimmt man sich und meint, sich durch seine Klamotten profilieren zu müssen.«




Wenn man hier mal durch die Büros guckt, sieht es ja auch so aus, als würden alle noch studieren, unabhängig von der Einkommensklasse. Es ist schon ganz normales Business. Man hat vielleicht mehr Freiheiten auf der einen Seite, aber auch mehr Stress auf der anderen. Am Ende müssen wir ein Kundenproblem lösen. Also die Zeiten um sich selber zu zelebrieren sind definitiv vorbei, aber die waren auch schon vor zwanzig Jahren vorbei.

Habt ihr vor dem Berufseinstieg ein Praktikum gemacht?

Oliver Kapusta

  Ich habe als Text-Praktikant angefangen und 25 Minuten auf der Coach an der Rezeption gesessen, weil die alle dachten, ich wäre Fahrradkurier. Irgendwann kam zufällig mein zukünftiger Chef vorbei und fragte mich, was ich hier machen würde und ich habe geantwortet, dass ich warte. Ich habe dann für drei Monate Text-Praktikum gemacht

Dennis May

 Ich habe zuerst bei GREY eine Ausbildung zum Werbekaufmann gemacht, also ganz schlimm. Habe da aber die letzten vier bis fünf Monate in der Kreation mitgearbeitet. Während der Texterschmiede macht man auch Praktikum. Danach bin ich als Junior eingestiegen. Das war 2002, nach dem World-Trade-Center. Das war nicht gerade die beste Zeit um einen Job zu suchen.

Die beste Zeit ist es jetzt wahrscheinlich auch nicht, oder?

Dennis May

  Auch da kommt es wahrscheinlich darauf an, in welcher Agentur man sich bewirbt. Es gibt Agenturen, die sind von der Wirtschaftskrise gebeutelt und anderen geht es wahrscheinlich noch besser als letztes Jahr, weil es sich einfach so ergeben hat, dass die Neukunden haben, die mehr Geld bezahlen. Ich glaube aber vor zwei Jahren war es wahrscheinlich einfacher einen Job zu bekommen.

Merkt ihr etwas von der Krise?

Oliver Kapusta

  Kunden reagieren natürlich auch auf die allgemeine wirtschaftliche Lage und streichen eher am Budget, als dass sie noch zwanzig Millionen dazu packen. Insofern merkst du, dass Kunden etwas vorsichtiger geworden sind, was auch Sinn macht, schließlich haben sie eine unternehmerische Verantwortung. Da aast man vielleicht nicht ganz so mit dem Geld.

Muss man als Designer einen Hang zur Selbstausbeutung haben?

Dennis May

  Ich würde es nicht Selbstausbeutung nennen, sondern vielleicht Leidenschaft, aber das klingt so nach Platitüde. Man muss schon bereit sein, den Job voll und ganz zu machen, also bereit sein, auch mehr Zeit zu investieren, wenn es mal nötig ist um zum besten Ergebnis zu kommen.

Oliver Kapusta

  Ich glaube es ist auch etwas anderes, ob ich Pfandkisten bis um Mitternacht stapeln muss oder ob dir zwar schon ein Film für den Kunden eingefallen ist, den du noch nicht so richtig geil findest und du dich daher mit deinem Partner bis halb zwölf ins Büro setzt und überlegst, wie es noch besser gehen könnte. Ich glaube du kannst den Job nur richtig gut machen und kreativ sein, wenn du dich quälst − wie Ogilvy sagte: „Qualität kommt von Qual“ − auch eine Floskel.

Du kannst irgendwann aufhören und sagen, dass es reicht oder du machst weiter und im Zweifelsfall kommt doch noch etwas Besseres heraus. Aber das hat mit Selbstausbeutung nichts zu tun, zunächst bist du ja selbst der Maßstab und wenn ich das auf meinem Zettel gut finde, gehe ich nach Hause. Vorher eben nicht.

»Was man schon wissen muss ist, dass es kein
‚neun-bis-sechs-Job‘ ist.

Das ist einfach so.
Solche Phasen gibt es natürlich auch, aber es gibt auch andere.«




Dennis May

  Ich habe einen Freund, der arbeitet in der Sparkasse. Der hat sich irgendwann überlegt, was er von seinem Job haben will. Darunter war auch: mit Sicherheit sagen zu können, wann er Feierabend hat. Der langweilt sich aber zu Tode.

Die Richtung, in die man als Kreativer geht, ist, bereit zu sein länger auf der Arbeit zu sitzen und abends nicht um 20:15 ‚Wer wird Millionär‘ gucken zu können, sondern vielleicht lieber noch mal zu gucken, ob man das Layout noch verbessern kann. Dafür habe ich aber einen Job, der mir von neun bis halb neun Spaß macht und in dem ich aufgehe. Man sitzt ja hier auch zusammen und denkt nach oder geht eine Runde Dart spielen und man muss nicht acht Stunden am Stück durcharbeiten, sondern hat auch Ruhephasen.

Oliver Kapusta

  Der Job gibt dir relativ viel Freiheit − du musst nicht immer im Anzug rum rennen, ich kann meinen Hund mitnehmen, wenn ich das Gefühl habe mir fällt die Decke auf den Kopf, kann ich mich auch mit meinem Partner um die Ecke ins Café setzen und dort weiter nachdenken. Dafür musst du aber auch damit leben, dass du, wenn du es richtig machen willst, abends auch mal länger sitzt. Oder auch mal am Wochenende oder an zwei Wochenenden.

Hört es im Kopf nach der Arbeit auf zu arbeiten?

Oliver Kapusta

  Ich glaube das ist individuell verschieden. Es gibt Zeiten da versuche ich nicht daran zu denken aber irgendwann ploppt es wieder auf, was manchmal auch gut ist, weil man doch noch mal auf eine Idee kommt, auf die man sonst nicht gekommen wäre.

Im Laufe der Jahre kriegt man auch Erfahrung, dass es einen nicht mehr so stresst, aber bei großen Präsentationen bin ich auch immer noch aufgeregt. Da ist ja auch Herzblut dabei und zwar nicht zu wenig und dann möchte man auch, dass es gut läuft.

Wenn man den Charakter nicht dazu hat, ist es etwas, das man lernen muss, dass man sich ab und zu auch zwingen muss, abzuschalten.

Dennis May

  Das lernt man wirklich mit der Zeit. In den ersten Jahren ist es so, dass du bis neun Uhr abends Filme schreibst und am nächsten Morgen um zehn Uhr die Abstimmung und rein theoretisch noch drei Stunden hast um darüber nachzudenken. Irgendwann hast du auch den Punkt erreicht, dass du weißt, dass dir am nächsten Tag auf jeden Fall etwas Gutes einfällt.

Oliver Kapusta

  Und du kannst besser einschätzen, ob deine Ideen bisher schon gut sind und dann kannst du auch nach Hause gehen, weil du sonst am nächsten Morgen dicke Augenringe hast.

Dennis May

  Es gibt bestimmt Agenturen, die mehr ausbeuten, als andere. Oder die mehr ausnutzen, dass Leute sich gerne um Sachen kümmern.

»Man muss ab und zu auch
Leute zwingen und sagen,
dass es neun Uhr ist und sie gehen sollen.

Manchmal muss man aber
auch sagen, dass es erst halb sechs ist!«




Gibt es für euch ein Tabu-Thema oder einen Kunden, für den ihr euch weigern würdet zu arbeiten?

Dennis May

  Wir machen nichts für politische Parteien. Das ist Unternehmenspolitik.
Meinungsbildend zu sein, für Sachen, bei denen sich jeder selber eine Meinung bilden muss, wollen wir nicht. Bei Sachen, die ganz haarscharf an der Grenze zur Propaganda sind, hätte ich auch keinen Bock. Aber ansonsten kann ich keine Branchen ausschließen, das wäre dann einzelfallabhängig.

Also ich hätte keine Bock, einer Marke, von der man weiß, dass die totalen Scheiß bauen, zu helfen, von dem Scheiß noch mehr zu verkaufen. Aber es ist nicht so, dass ich auf keinen Fall etwas für Alkohol machen würde, weil Alkohol böse ist.

Ich bin kein Axel-Springer-Fan, aber ich habe auch was für die BILD gemacht. Das ist auch ein Stück weit Profession, dass man in der Lage sein muss, das zu machen, solange es nicht total gegen innere überzeugungen verstößt.


»Leuten zu helfen,
mehr von den Sachen zu verkaufen, die man im Zweifelsfall gar nicht bräuchte, ist eine grund­moralische Entscheidung.«




Kannst du dir vorstellen, etwas anderes zu arbeiten?

Dennis May

  Grundsätzlich schon. Ich weiß aber nicht was − vielleicht Landschaftsgärtner. Es kann theoretisch schon etwas anderes sein, aber die Grundbedingungen müssten gleich sein, also das Abwechslungsreiche, sich frei entfalten und organisieren zu können, nicht jeden Tag einen Anzug anhaben zu müssen − so blöd das klingt − aber dazu hätte ich einfach keinen Bock.

Ich glaube es wird am Ende immer damit zu tun haben, sich etwas auszudenken und umzusetzen, etwas mit dem man sich selber ausdrücken kann.

Es ist schon so, dass man sich überlegt, ob man das noch 25 Jahren lang machen kann. Bis jetzt ist es immer so abwechslungsreich, durch neue Konstellationen, neue Kunden und Entwicklungen.

Als ich angefangen habe, ging es nur um Anzeigen und Filme, was mittlerweile schon fast verpönt ist.

»Das ist ein so progressives Business, dass man gut darin alt werden kann, ohne sich zu langweilen.

Das Einzige, was mir ein
bisschen Angst macht ist, dass es kaum alte Menschen in Agenturen gibt.«




Aber ich rede mir das immer schön damit, dass es die Branche in der Größe noch gar nicht so lange gibt, daher kann es noch gar nicht so viele alte Leute geben.

Was macht man dann im Alter?

Oliver Kapusta

  Entweder ist man alkoholabhängiger Grußkarten-Texter...

Ich hatte mal ein Seminar bei Springer&Jacoby, bei dem gefragt wurde, was wir in dreißig Jahren sein wollen. Der Referent sagte uns, dass wir uns darüber klar sein müssen, dass wir nichts können, außer ein bisschen schreiben, dass man sich als Werber überlegen muss, ob man so gut schreiben kann oder so gut mit der Ausbildung von jüngeren Leuten ist, dass man davon leben kann.

Es reicht eben einfach nicht nur kreativ zu sein. Man muss sich im Business-Umfeld die entsprechenden Fähigkeiten aneignen, die dem Charakter entsprechen, dass man später eben nicht Grußkarten-Texter wird. Da muss man sich irgendwann Gedanken machen. Aber ein bisschen gefühls-jugendlich sind die meisten schon.

Dennis May

  Wie alt sind die ältesten Menschen in der Branche? Die großen Agentur-Chefs wie Jean Remy, die sind vielleicht Mitte fünfzig. Das ist so das Alter.

Es gibt ganz viele Kreative, die dann Regisseur werden oder auf Kundenseite wechseln und dann Creative-Consultant sind oder etwas anderes schickes. Da gibt es schon viele Möglichkeiten.
Es ist nur nicht wirklich planbar.

Auf Kreations-Seite gibt es keine geschriebenen Gesetze. Das ist auch ein bisschen beängstigend. Es gibt einfach nicht diesen einen Weg. Man muss hoffen, dass es einem lange Spaß macht und dass es lange gut geht. Noch schwerer, haben es Leute die frei arbeiten und irgendwann ein gewisses Alter erreicht haben.
Für Leute, die in Agenturen eine wichtige Rolle spielen und die Agentur mit prägen, die für die Qualität stehen und im Tagesgeschäft sind, ist es egal, wie alt man ist, solange man in dem Gebiet up-to-date ist, in dem man eine Lösung finden muss. Genauso, wie ich nicht 65 sein muss, um etwas für 65-jährige zu schreiben. Das ist ja längst nicht mehr so wie es früher war.

Oliver Kapusta

  Es gibt aber auch in größeren Agenturen Jobs, die man gut als 60-jähriger machen kann: Teams anleiten und koordinieren. Nur lustige Ideen zu haben reicht wahrscheinlich nicht mehr heutzutage.

Wo seht ihr euch in zehn Jahren?

Oliver Kapusta

  Neben dem Kumpel, der auch Grußkarten textet...
Ich weiß es nicht. Ich mache es jetzt schon im zwanzigsten Jahr. Ich habe es noch nicht bereut. Ich hatte das Glück, dass ich in Prag, Bukarest, Hamburg und jetzt in Düsseldorf leben durfte. Bislang macht es mir Spaß.

Dennis May

  Ich würde mal tippen, dass ich in zehn Jahren noch in Agenturen bin und das mache, was ich jetzt mache, weil es Spaß macht. Da ändern sich ja eh so viele Sachen, dass es nicht so schlimm ist, dass man sich selber nicht so viel verändert.

Es ist jetzt nicht so, dass ich sagen würde: „Ich würde gerne einen Taucher-Club auf den Malediven aufmachen.“ Ich glaube da hätte ich nach zwei Wochen einigermaßen Langeweile.

Oliver Kapusta

  Ich hätte gerne meinen eigenen Golfplatz. Die Wahrscheinlichkeit ist relativ gering.

Warum bist du, Dennis, dann nach Düsseldorf gekommen?

Dennis May

  Weil ich aus Krefeld komme und heimatverbunden bin. Ich war drei Jahre in Hamburg, was auch super war und Spaß gemacht hat. Aber irgendwann merkt man, dass Arbeit nicht alles ist. Meine Familie und Freunde sind hier, daher lag das nahe. Es ist eine Art Grundsatzentscheidung.

Wenn man in Hamburg, Berlin oder Frankfurt arbeitet, geht man auch zu den entsprechenden Agenturen. Da entscheidet man sich für den Full-Time-Job.

Es ist nicht so, dass wir bei Jung von Matt um sechs Uhr abends raus gekommen sind. Das klingt jetzt echt schlimm, aber irgendwann kommt man dann an den Punkt, an dem man weiß, dass man das nicht ein Leben lang machen will.

Hat Düsseldorf den Ruf, Kreativ-Stadt zu sein, zu Recht verdient?

Dennis May

  Auf klassische Werbung bezogen hat es den Ruf nicht. Da sitzen dann mehr die großen Agentur-Dickschiffe, die die großen Wirtschaftskunden haben, aber sich nicht so sehr um Kreativität scheren. Das ist so der Düsseldorf-Ruf, den ich im Kopf habe. Aber ich glaube trotzdem, dass hier gute Leute mit guten Ideen rumrennen, denen es aber schwerer fällt, die Ideen umzusetzen, weil sie in Agenturen sind, die vielleicht erst seit fünf Jahren kreativ arbeiten.

Seit einigen Jahren kann sich keine Agentur mehr leisten, nicht kreativ zu sein. Die Zeiten sind vorbei, wo es gereicht hat eine Tomate mit Zahnbürste abzubilden.
Deswegen glaube ich nicht, dass Düsseldorf vielleicht unkreativer ist als andere Städte. Wobei sicherlich Hamburg und Berlin an der Spitze sind, was die Dichte an herausragenden kreativen Leuten betrifft.

Oliver Kapusta

  Wenn du dir die einschlägigen Medaillen-Rankings anschaust, gewinnen eher Städte wie Berlin oder Hamburg als München und Düsseldorf. Das war früher vielleicht noch besser, als noch niemand in Berlin war.

Wie erklärst du deiner Mutter, was du arbeitest?

Oliver Kapusta

  Meine Mutter hat das bis heute nicht verstanden.
Ich habe lange versucht ihr das zu erklären. Am Ende läuft es auf bunte Bildchen im Fernsehen und Zeitungen hinaus. Dass das ganze natürlich komplexer ist, versteht meine Mutter nicht. Wie sollte sie auch!?

Dennis May

  Wenn mir ein Freund sagt, er ist Unternehmensberater oder Wirtschaftsprüfer, kann ich mir auch nur ungefähr vorstellen, was er macht. Je spezieller das wird, desto weniger Lust habe ich auch, mich damit auseinander zu setzen.

Ist es vielleicht auch gut, dass der Endverbraucher die Mechanismen dahinter nicht versteht?

Dennis May

  Ich glaube das ist ziemlich Wurst. Ich habe das häufiger, wenn ich im Taxi sitze und der Taxifahrer im normalen Smalltalk fragt, was man macht und ich antworte, dass ich Texter bin...

Beim Thema Texter denken Leute wirklich man schreibt lustige Sprüche. Für die ist überhaupt nicht vorstellbar, dass man, wenn es um einen Film geht, zum Dreh fährt und sich Filme ausdenkt. Das ist aber auch klar.

»Wenn ich nicht aus der Branche wäre und mir jemand sagen würde er ist Texter, würde ich auch denken,
dass er etwas mit Texten zu tun haben wird.«




Oliver Kapusta

  Die Komplexität erschließt sich glaube ich keinem Endverbraucher. Wie viel Hirnschmalz, wie viele Analysen, Diskussionen mit dem Kunden, wie viel Recherche etc. alles dahinter steckt...

Das ist in den letzten Jahren ja auch viel mehr geworden. Wir hatten früher nur einen Computer im Studio... Inzwischen ist alles rein-gelayoutet. Mit Scribbles zum Kunden − das gibt es ja heute kaum noch. Die Komplexität, das Filigrane, Detailausarbeitung, Gewurschtel, Verliebtsein, Anspruchshaltung von Kunden und so weiter, davon macht sich keiner ein Bild und wird auch keiner begreifen.
Was für ein Aufwand betrieben wird, bis es mal zu einer normalen kleinen Anzeige kommt, ist schon fast pervers.

Dennis May

»Wenn mein Vater sehen würde, was ich hier mache, würde er sagen: „Selbst schuld!“«




Oliver Kapusta

  Gerade im handwerklichen Bereich, wenn man acht Stunden am Post-Gerät, sitzt, um ein Filmchen zu fertigen, sind die Unterschiede so marginal. Die siehst du auf deinem Röhrenfernseher von 1978 oder von 1985 gar nicht. Inzwischen hat man selber handwerklich so einen Anspruch und die technischen Möglichkeiten.

Dennis May

  Ich glaube das ist die Eklatanz: Man selber sorgt sich um die Perfektion auch im kleinsten Detail, was aber die wenigsten auch nur im Ansatz bemerken würden. Und das ist das, was die Leute nicht nachvollziehen können und worum sie sich auch keine Gedanken machen. Was sie aber auch nicht sollen, weil es egal ist. Das hat für deren Rezeption ja auch keine Auswirkung.

Würde Werbung noch funktionieren, wenn der Endverbraucher komplett dahinter schauen könnte?

Dennis May

  Wenn man einen Spot von sich sieht, sieht man den natürlich komplett anders, als alle anderen, weil er eben nicht da hinein passt, weil man damit so viel zu tun hatte, dass die Distanz fehlt. Aber wenn man abends um zehn Uhr vor dem Fernseher sitzt und ein Werbeblock kommt, schaltet man wahrscheinlich erstmal weg oder lässt es genauso auf sich einrieseln, wie andere Leute auch.

Oliver Kapusta

  Ich gucke mir einen Spot schon anders an, analysiere hauptsächlich das handwerkliche und frage mich ob das eine gute Idee oder nett gemacht ist. Das heißt aber nicht, dass er nicht auch bei mir funktioniert.

Ich habe eine zeitlang Ferrero ignoriert, weil mich das genervt hat und mich die Leute genervt haben, die das gemacht haben und für so blöd wollte ich nicht gehalten werden. Hat sich aber auch geändert und inzwischen kaufe ich auch wieder Ferrero.

Es gibt auch Beispiele, dass es auch kreativer geht. Wenn ich das Gefühl habe, ich werde nicht verarscht, ein Bedürfnis durch das Produkt befriedigt wird oder eine Neuigkeit ist, funktionieren die bei mir genauso wie bei einem Nicht-Werber − wenn es auch nur unterbewusst ist.

Dennis May

  Wenn ich drei Baumärkte zur Auswahl hätte und ich mich entscheiden müsste, würde ich auch eher zu Hornbach fahren, weil die mich auch sonst besser unterhalten.

Euer Berufsalltag in fünf Worten?

Dennis May

  Ideen haben, verkaufen, umsetzen und begraben...
Also dass man Ideen aus den unterschiedlichsten Betrachtungswinkeln hat.
Die Textmechanik funktioniert jetzt nicht so. Das hat sich in meinem Kopf besser angehört, als es jetzt klingt. Das wäre jetzt also eine Idee, die ich verwerfen würde.


«

Alexander Herrmann
Christoph Sommer

GREY Düsseldorf

Matthias Hoffmann
Liane Korte

argonauten G2

»


braces






DDB Düsseldorf

DDB Group Düsseldorf

Berliner Allee 10
40212 Düsseldorf
www.de.ddb.com






Interview mit:



Oliver Kapusta

Oliver Kapusta

Group-Creative-Director





Dennis May

Dennis May

Group-Creative-Director


Dennis May im Interview Kicker bei DDB DDB Group Düsseldorf und die Awards DDB Group Düsseldorf und die Awards DDB Group Düsseldorf − Oliver Kapusta DDB Group Düsseldorf − Dennis May DDB Group Düsseldorf