Götter & Dienstleister

Die argonauten sind Mitglied von G2 − dem ersten umfassenden globalen Agentur-Netzwerk für (inter)aktionsbezogene Kommunikation jenseits der klassischen Werbung − und arbeiten in den Kompetenzfeldern Interactive, Dialog Marketing, Data Consulting und Sales Promotion.






Wir laufen zum zweiten Mal über den „Platz der Ideen“ ins Gebäude gegenüber von GREY. Wir sind bei den argonauten und bekommen die Präsentation für Studenten vorgestellt. Es geht um Helden, Stärke, Teamgeist und die Macht guter Geschichten.

Die Geschichte der argonauten ist eine Geschichte von Helden und ihren Stärken: Mut. Tatkraft. Leidenschaft. Kreativität. Und vor allem Teamgeist. Auf der Suche nach dem goldenen Vlies haben sie erkannt, dass Nichts ein Schiff mehr zum Kentern bringt als zu viele Egos.

Seit 2005 gehören die 150 argonauten zur Grey G2 Group (Neue Medien) und sind von dem ‚kleinen Teilchen, das komische Internetsachen macht‘ mit 95 Awards, geschätzten 400 Mailing-Adaptionen pro Jahr, zwei Werbemailings am Tag und 25 Marken-Kunden im Werbealltag angekommen.

Aber auch hier zeigt sich wieder, dass die argonauten unverbrauchter sind als viele andere der Szene.




Ist man als Designer von der normalen Welt weit entfernt?

Matthias Hoffmann

  Jung von Matt, hab ich gehört, hat einen Wohnzimmer-Konfi, den die Auszubildenden permanent dem deutschen Durchschnitt anpassen müssen. Es wird ständig betrachtet wie viele Teppiche, welche Zeitungen, welches Klopapier am meisten gekauft wird. Dieser Raum ist genau so eingerichtet, wie es dem deutschen Durchschnitt entspricht. Der ist zum Brainstormen bestimmt gut, damit man sich besser in den Kunden hineinversetzen kann.
Wir haben eine Lounge zum Brainstormen mit einer Wii, einem Fernseher und eine Bar wird noch hinzukommen.

Es ist ja in unserer Branche so, dass man sich nicht immer die Zielgruppen spezifisch raussuchen könnte. Bei den meisten Produkten ist es so, dass man den Durchschnitt ansprechen muss.

Wenn du für Damenbinden für 50+ etwas machen müsstest, bist du wahrscheinlich ziemlich weit weg. Das hat nicht unbedingt damit was zu tun, dass du Designer bist. Man muss in der Lage sein, sich in alles Mögliche reinzudenken.

Aber ich kann sagen, dass das echt Spaß macht. Meistens wird man bei den Sachen überrascht, bei denen man am Anfang denkt: „Scheiße... das ist ja total langweilig.“ Andererseits, sagen die Leute die auf lifestyligen Kunden arbeiten, wonach sich alle die Finger lecken: „Boah nee. Das ist so langweilig, ich kann es nicht mehr sehen“.

Ist das ein Grund dafür, dass man alle zwei Jahre die Agentur wechseln sollte? Langweilt man sich als Designer schnell?

Matthias Hoffmann

  Dafür bin ich jetzt der falsche Ansprechpartner, weil ich hier vor über zehn Jahren als Praktikant angefangen habe und jetzt als Creative-Director immer noch hier bin. Wobei sich das so entwickelt hat, weil die Werbung so schnelllebig ist. Ich habe in dieser Zeit einige Geschäftsführer und Kollegen kommen und gehen sehen.

Ich glaube aber, dass die Leute bei uns tendenziell recht lange bleiben. Wir haben einige „Urgesteine“. Die argonauten sind ein gutes „Zuhause“.

Um Karriere zu machen ist es sicher gut, wenn man viel wechselt. Ich persönlich finde ein angenehmes Arbeitsumfeld noch wichtiger.

Liegt das daran, dass man wechseln muss, um auf der Karriereleiter aufzusteigen, weil die Stelle über einem meistens nicht frei ist?

Matthias Hoffmann

  Peter, der Chef, hat auch bei GREY als Azubi angefangen und war dann bei Euro RSCG, SAATCHI & SAATCHI und Jung von Matt. Er ist dort jeweils eine Stufe aufgestiegen und jetzt als Geschäftsführer zurückgekommen. Er ist auch noch relativ jung.

Es ist Gold wert, wenn du die entsprechenden Marken in deinem Lebenslauf hast. Wenn du dann auch noch gute Zeugnisse hast, ist das schon ein Türöffner.

Beschwert sich der Chef irgendwann, wenn du drei Tage hier in der Brainstorm-Lounge hängst?

Matthias Hoffmann

  Die Chefs mischen sich in die kreativen Arbeitsprozesse glücklicherweise nicht ein. Es sei denn die Zahlen stimmen nicht ;). Aber wie wir zum Ergebnis kommen, ist denen egal, da lassen sie uns Ruhe.

Wie lange kann man den Beruf unabhängig vom Erfolg machen?

Matthias Hoffmann

  Das ist eine super Frage. Das frage ich mich schon seit den zehn Jahren, in denen ich in dem Beruf arbeite: „Was passiert eigentlich mit den Ü50-jährigen?“ Ich habe es noch nicht herausgefunden.

»Die Ü50-jährigen verschwinden einfach, dematerialisieren sich plötzlich und sind weg.«

Wahrscheinlich gibt es so ein Designer-Paradies.

Irgendwann kommt ein düsterer Mann, klopft an deine Tür und sagt:
„Es wird Zeit zu gehen.
Du hast es dir verdient.“
Es ist unglaublich!




Eine Handvoll wird dann Kreativ-Geschäftsführer, bei denen man nicht weiß, was die überhaupt machen. Denn von Zahlen haben die ja wahrscheinlich keine Ahnung.

Viele wollen später auf eine Insel, eine Fußmassage eröffnen oder Bäume pflanzen...

Matthias Hoffmann

  Das habe ich auch schon öfters erlebt, dass Leute aus­gestiegen sind. Also auch wirklich erfolgreiche Leute, die dann nach Afrika gehen zu ‚Ärzte ohne Grenzen‘. Etwas zurückgeben − das kommt durchaus häufig vor.

Wer ist der älteste Mitarbeiter hier?

Matthias Hoffmann

  Ich fürchte fast mein Text-Kollege. Ich habe noch nie gefragt, wie alt er ist. Ich schätze kurz vor fünfzig. Wahrscheinlich löst er sich auch eines Tages vor meinen Augen auf.

Was ist das Durchschnittsalter?

Matthias Hoffmann

  Vielleicht knappe 30? Es war aber zwischenzeitlich deutlich jünger.

Andere sagen mit Mitte 30 sollte man seine eigene Agentur haben.
Habt ihr da Ziele?

Matthias Hoffmann

  Das stimmt wahrscheinlich. Ich bin jetzt gerade Mitte dreißig. Man hat eine gewisse Sicherheit, es geht einem ganz gut. Dann zu sagen: „Ich haue das ganz weg und fange bei Null an, ohne zu wissen, was wird“ − da muss man schon der Typ für sein.

Im Moment kann ich mir das nicht vorstellen. Obwohl es natürlich eine schöne Vorstellung ist, das ganze Geld selber behalten zu können oder selber zu entscheiden was damit passiert.

Wo siehst du dich in zwei und wo in zehn Jahren?

Matthias Hoffmann

  Ich glaube hier. Man hat immer neue Herausforderungen und das Gefühl, dass man sich weiterentwickeln kann. Das ist ja eigentlich das Wichtigste. Ich stelle es mir auch schwierig vor, ständig die Umgebung und die Leute zu wechseln. Ich finde diese Balance aus Neuem und Beständigem sehr schön.

Muss man sich dann nicht auch immer in neue Kunden einfinden?

Matthias Hoffmann

  Die wechseln ja leider auch relativ häufig die Agentur. Fast schneller noch als die Mitarbeiter.

Ich weiß nicht, ob ich das in zehn Jahren noch mache, weil es doch wirklich anstrengender und belastender ist, als man glaubt.

Am Anfang denkt man darüber noch nicht nach, weil man sich relativ sicher fühlt, aber je mehr Verantwortung man übernimmt, desto mehr merkt man auch, wie schnell das gehen kann, dass auf einmal alles kaputt ist, weil die Kunden plötzlich weg sind.

Ich habe das vor ein paar Jahren hautnah miterlebt, als die New Economy Blase geplatzt ist. Da waren wir in der Abteilung 80 Leute und sind in kürzester Zeit auf vier Leute runter entlassen worden.
Wenn du dann durch die Büros gegangen bist, war das wie in einer Geisterstadt. Ich habe dann von den ehemaligen Kollegen mitgekriegt, dass viele keinen neuen Job gefunden haben.

In unserer Branche gibt es keine Gewerkschaften oder ähnliches, welche uns in der Art schützen, wie es das in anderen Branchen gibt - beispielsweise in einer Bank oder im Supermarkt.

Da gibt es Betriebsräte, die hier nur auf dem Papier stehen und nichts tun. Da merkt man, auf was für unsicherem Terrain man sich bewegt.
Man ist eigentlich permanent auf dem Prüfstand. Mit jeder Aufgabe, die du bekommst, sagt der Kunde: „Zeig mir, dass du das gut machst.“

»Du weißt genau und kriegst das auch so kommuniziert,
dass es da noch drei weitere Agenturen gibt, die nur darauf warten dir rein zu grätschen, um dir den Kunden abzuluchsen.«




Du weißt ganz genau, wenn du drei Jobs hintereinander nicht so gut ablieferst, stehen die nächsten schon da.

Ich glaube in zehn Jahren muss ich mir irgendetwas überlegt haben, das nicht so nervenaufreibend ist. Wobei das jetzt − wo man jung ist − auch Spaß macht, wenn man permanent kämpfen muss.

Merkt ihr etwas von der aktuellen Wirtschaftskrise?

Matthias Hoffmann

  Wir hatten super Glück und haben bis jetzt keinen einzigen Kunden verloren. Toi Toi Toi.
Aber wir merken es an den Bewerbungen. Es sind unglaublich viele Leute wieder auf der Straße. Auch super gute Leute. Und man merkt es daran, dass die anderen Agenturen stärker an den eigenen Kunden graben.

Ist man als Agentur aus ökonomischen Gründen dazu gezwungen, grenzwertige Jobs anzunehmen? Gibt es bei euch Grenzen oder ein Tabu-Thema, für das ihr nicht arbeiten würdet?

Matthias Hoffmann

  Ich habe es schon einmal abgelehnt, für einen Waffenkatalog zu arbeiten. Ich habe meiner damaligen Chefin gesagt: „Du kannst mich rausschmeißen oder sonst was, aber ich mache das nicht!“. Sie hat das auch akzeptiert und wir haben den Kunden dann auch gar nicht genommen.

Hast du bei normaler Werbung ein schlechtes Gewissen, Leute zu penetrieren?

Matthias Hoffmann

  Das Gute ist ja, dass wir keine Massenwerbung machen, sondern versuchen, dialogisch zu denken. Wir versuchen Werbung zu machen, die nicht als Werbung wahrgenommen wird, also idealerweise so funktioniert, dass man sie sich freiwillig holt oder sie als Mehrwert, mindestens aber als interessant empfindet.
Ein ‚Viral‘ ist ja etwas, womit man die Leute nicht nervt oder absichtlich stört, sondern wo Leute hingehen und sagen: „Hast du das gesehen, das ist ja cool!“
Leute laden sich das runter, schicken es einem Freund weiter. Das ist eigentlich unser Anspruch.

Liane Korte

  Man kann als Endkonsument immer noch den Fernseher ausmachen. Man muss das ja nicht gucken. Da gibt es, glaube ich, schlimmere Jobs auf der Welt, bei denen man ein schlechtes Gewissen haben müsste.

Matthias Hoffmann

  Ich glaube, ich würde eher ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich schlechte Produkte bewerben müsste.

Stumpft man mit der Zeit ab?

Matthias Hoffmann

  Eigentlich ist man ja die ganze Zeit mehr ein Zuschauer. Man guckt in verschiedene Unternehmen rein, an denen wir auch nichts wirklich etwas ändern werden, es sei denn wir werden Terroristen in der Art. Man hat die Chance, mal hinter die Kulissen zu gucken. Ein ganz interessanter Blickwinkel, unsere Gesellschaft zu betrachten.

Normalerweise entscheidet man sich für einen Beruf, kennt dann diese Branche ganz gut und sieht das nur durch diese eine Brille. Wir schlüpfen ja sozusagen immer von einer Rolle in die nächste und haben die Aufgabe, durch die Augen des Kunden zu sehen.

Die Welt heute durch die Augen eines Bankers zu sehen und morgen durch die Augen der Bahn, mit deren Problemen usw.. Dann wieder die Rolle zu wechseln und zu versuchen, das Ganze aus der Sicht des Verbrauchers zu betrachten.

»Eigentlich ist man ja nur Botschafter oder Katalysator.

Der eine will dem anderen etwas sagen und wir haben die Aufgabe, das Sprachrohr oder der Übersetzer zu sein, weil die jeweils in ihrer eigenen Welt gefangen sind.«




Man muss erst mal das eine verstehen, um es für den ‚normalen Menschen‘ übersetzen zu können.

Man fragt sich schon oft, ob der Inhalt für den Endverbraucher relevant ist. Das diskutiert man durchaus auch mit dem Kunden, weil der Kunde denkt: „Ich habe eine total tolle Botschaft, die muss ich unbedingt der Welt erzählen“ und wenn man die Verbraucher-Brille aufsetzt, denkt man sich: „Das ist für euch vielleicht eine total tolle Entwicklung, aber den Endverbraucher interessiert das wahrscheinlich nicht wirklich.“

Lassen sich die Kunden beraten?

Matthias Hoffmann

  Unterschiedlich. Einige sind völlig beratungsresistent und denken, sie wissen alles am besten. Das ist dann auch okay und wir sind dann diejenigen, die die Botschaft „schön machen“. Wir versuchen immer, das Beste daraus zu machen. Andere Kunden fordern auch explizit ein, dass man Feedback zu den Inhalten gibt.

Fallt ihr noch auf Werbung rein, wenn ihr selber täglich Werbung macht?

Liane Korte

  Schon. Vor ein paar Monaten gab es von Wrigley’s diesen neuen schwarz verpackten Kaugummi, den musste ich dann auch probieren. Ich bin da auch nur ein Mensch wie jeder andere.
Also ich weiß schon, dass ich dann genauso blöd bin wie jeder andere.

Matthias Hoffmann

  Ich glaube, ich bin sogar durch die Werbung noch sensibler für Werbung geworden. Weil ich es auch schön finde, ein Produkt zu haben, das eine schöne Kommunikation hat.

Ich war früher eher punkig drauf, was ich vom Gefühl her auch noch mitfühlen kann, da findet man ja Marken blöd. Mittlerweile finde ich Marken toll. Aber nicht, um mich damit zu brüsten, sondern wenn ich zum Beispiel einen Apple habe finde ich das toll wegen der ganzen Geschichte, die in dieser Marke steckt. Das ist halt ein schönes Gefühl, so etwas zu haben.

Du hast in deinem eigenen Job mit Werbung zu tun und siehst sie auch in der Freizeit. Kannst du irgendwann abschalten?

Matthias Hoffmann

  Ich glaube nicht, man macht immer weiter. Wenn man nach Hause kommt, steht man vor seinem Bücherregal oder so und denkt sich, das sieht noch nicht gut aus, man könnte da noch was anders arrangieren und fängt an, die Bücher nach optischen Gesichtspunkten umzuräumen... ich denke, man bekommt schon mit der Zeit ne kleine Meise oder aber man muss schon vorher ein bisschen verrückt sein, um das zu machen...

Man ist halt Gestalter und hat sich den Beruf ja ausgesucht, weil man das gerne macht. Insofern würde ich das nicht als Störung empfinden oder dass man für immer geistig und seelisch eingesperrt ist und nie mehr aus diesem Gefängnis frei kommt. Eher anders herum, dass man sagt: „Für das, was man gerne macht, kriegt man jetzt sogar noch seinen Lebensunterhalt.“

»Man verkauft halt seine Seele an irgendwelche
Groß­unternehmen.
Das ist schon so. Klar.

Aber was ist die Alternative?
Freier Künstler zu werden erfordert schon eine ganze Menge mehr Mut als das, was wir aufbringen.

Viele von uns haben eine kreative Ader. Es haben auch nicht alle Grafikdesign studiert.«




Liane Korte

  Ich habe Mode gemacht und auch beendet und bin dann in die Werbung gerutscht. Mein Studium war nicht so ausgerichtet, dass man nur an der Nähmaschine saß und genäht hat.

Ich habe an der FH in Bielefeld studiert, wo man auch Foto, Design und Grafik studieren kann und daher gab es dann Kooperationskurse, in denen man auch was von Grafik mitbekommen hat. Dann habe ich irgendwann gedacht im Bereich Mode kann man nicht so kreativ sein − eine Hose bleibt eine Hose, da hat man in der Werbung schon mehr Möglichkeiten.

Wie viele Ideen entwickelt ihr, bis eine davon umgesetzt wird?

Matthias Hoffmann

  Viele.

Gibt es einen ‚Ideenfriedhof‘?

Matthias Hoffmann

  Sicher. Es ist ja nicht so, dass wir eine Idee entwickelt haben und der Kunde sagt: „Ja die will ich.“
Dann bewahrt man die Idee auf. Vielleicht bekommt sie eine zweite Chance.
Die Idee ist ja trotzdem nicht einfach gestorben, nur weil der Kunde sagt:
„Will ich jetzt nicht“.

Wo bewahrt ihr solche Ideen auf?

Matthias Hoffmann

  Im Kopf. Wie viele Brainstormings machen wir in der Woche? Zwei bis drei? Und wir sammeln unglaublich viele Ideen. Wenn wir eine Idee brauchen, dann machen wir 100 und schmeißen 99 davon weg. Wir sind superkritisch zu uns selbst.
Oft kommt man nämlich automatisch auf dieselben Ideen. Wenn zwei Kreativteams gleichzeitig brainstormen, sind siebzig bis achtzig Prozent der Ideen, die man zusammen trägt, identisch.

Liane Korte

  Das darf man dann auch nicht persönlich nehmen oder denken:
„Der Kunde ist doof, weil er die Idee nicht will.“
Da muss man ganz schnell abschalten und denken, der will die Idee jetzt nicht, dann will er eben etwas anderes.

Kämpft man dann nicht um die Idee?

Liane Korte

  Das schon, aber man darf sich da nicht so dran festklammern. Wenn ich dem Mattes was zeige und der findet es nicht gut, dann denke ich nicht, dass er mich jetzt doof findet, sondern, dass die Idee nicht gut war.
Dann gleich wieder vergessen und neu anfangen.

Es ist nicht gesund, das auf sich selbst zu beziehen. Sonst macht man sich wahnsinnig. Das ist auch typabhängig. Der Kunde hat uns dafür bezahlt, dann hat er auch das Recht zu sagen: „Will ich nicht, ich will etwas anderes“. Dann kriegt halt ein anderer die Idee oder sie bleibt fürs nächste Mal.

Es ist ja etwas persönliches, was man von sich preisgibt und wenn du dann vom Kunden, der Beratung oder dem Chef ein schlechtes Feedback kriegst, sticht das schon.

Kann der Kunde eine gute Idee beurteilen?

Matthias Hoffmann

  Ja, sehr häufig schon. Wenn man mit einem Marketing­menschen zu tun hat, der schon mit vielen großen Agenturen gearbeitet hat, weiß der schon, was gut ist und was nicht.

Es macht dann oft auch mehr Spaß, sich an so einem zu messen, als wenn man es auf Kundenseite mit jemandem zu tun hat − so schade sich das für denjenigen anhören mag − der dann vielleicht Wirtschaft, BWL oder was weiß ich studiert hat, gerade von der Uni kommt und meint, beurteilen zu können, welches Bild gut aussieht oder was eine gute Gestaltung ist und was nicht.

Glaubt ihr, dass Endverbraucher gestalterische Qualität beurteilen können?

Matthias Hoffmann

  Klar, das ist das Maß aller Dinge.

»Wir können uns so viel auf die Schulter klopfen wie wir wollen.

Am Ende machen wir Werbung und die wird daran gemessen, wie der Endverbraucher darauf reagiert.«




Wir haben Botschaften auszusenden und die müssen verstanden werden.
Das ist alles. Wenn uns das gelingt, sind wir gut.
Wenn uns das nicht gelingt, sind wir schlecht. Wenn ich meiner Mutter irgendetwas zeige und sie gehört zu der Zielgruppe, die sich angesprochen fühlen soll und meine Mutter sagt: „Versteh ich nicht“, dann habe ich einen Scheiß-Job gemacht. Da kann ich noch so viel über Marketing reden und von meinen Kollegen gelobt worden sein, eigentlich ist es dann Käse.

Machst du diesen Mutter-Test?

Matthias Hoffmann

  Selten, oft finden meine Eltern die Sachen nicht so gut ;).
Die sind extrem kritisch. Ich gehe auch ungern in Marktforschungen.

»Wenn man mit dem Endverbraucher spricht, kriegt man immer die Wahrheit vor Augen geführt und die ist ernüchternd.«




War es am Anfang ein Problem, deiner Mutter oder deiner Oma zu erklären, was du machst?

Matthias Hoffmann

  Bei meiner Oma war es ganz schwer. Der habe ich neulich versucht zu erklären, dass Leute von uns in New York waren und ein Web-Special gedreht haben.
Sie sagt dann: „Das ist keine gute Qualität! Die stellen nur billige Sachen her.“
Ich sagte: „Ja, aber wir haben nichts mit dem Produkt zu tun, wir machen die Werbung dafür.“ − „Ja, aber die Produkte sind nicht gut! Das müsst ihr ändern!“

Also das ist genauso wie der Verbraucher denkt. Für den ist die Kommunikation und das Produkt Eins. Das ist alles miteinander verwoben und die trennen nicht zwischen Kommunikation und Produkt. Das ist dann bei meiner Oma quasi unmöglich, ihr das zu erklären.

Liane Korte

  Ich gehe da gar nicht so ins Detail, weil ich glaube, die verstehen eh nicht, was man den ganzen Tag macht.
Ich mache Werbung und erkläre dann immer, was ein Mailing ist: eine Art Postwurfsendung mit tollen Sachen drin - meistens.

Aber das sind wahrscheinlich die Sachen, die deine Eltern wegschmeißen, wenn sie die bekommen.

Matthias Hoffmann

  Ich wüsste jetzt nicht, dass meine Eltern mal ein Mailing bekommen haben, das wir gemacht haben. Aber wenn das Mailing interessant ist, dann schmeißen die das ja auch nicht sofort weg.

Welche Klischees über Designer kennt ihr?

Matthias Hoffmann

  Es gibt ja schon so ein paar Klischees, was die Kreativen angeht. Die treffen zum Teil auch zu.
Kreative sind eher sensibel und gelten tendenziell als eher chaotisch oder nicht so strukturiert, was das Leben angeht.
Das sind ja die Dinge, die immer wieder auftauchen. Das ist der typische Clinch zwischen Beratung und Kreation, der aber nicht wirklich ernst oder bösartig ausgetragen wird.

Wie seht ihr die Außenwirkung der Werber?

Matthias Hoffmann

  Ich habe letztens eine Umfrage gelesen mit den beliebtesten Berufen Deutschlands, da waren Werber Vorletzter. Also noch unbeliebter als Politiker. Das merkt man auch, wenn man in einem Umfeld ist, das nichts mit Werbung zu tun hat.

Wobei ich feststellen muss, dass das leider immer mehr schrumpft. Dadurch, dass man so viel arbeitet, fehlt oft die Zeit, Leute kennen zu lernen, die nichts mit Werbung zu tun haben.

Der Kontakt zur Außenwelt nimmt mit der Zeit sozusagen immer mehr ab. Aber wenn man mit Leuten redet, die gar nichts mit Werbung zu tun haben und denen versucht zu erklären, was man macht, haben die natürlich direkt das Klischee im Kopf: „Werbung ist das, bei dem ich weg schalte, was mich beim Fernsehen und im Briefkasten nervt.“

Was wir versuchen zu machen, das etwas Niveauvollere, die Liebe, die wir da reinstecken, das wird oft gar nicht wahrgenommen, weil das auch viel durch schlechte oder schlechtere Werbung kaputt gemacht wird.

Spielt allgemein die Selbstdarstellung bei Designern eine große Rolle?

Matthias Hoffmann

  Ja, wobei viele auch schüchtern sind. Oder wie man es von Künstlern kennt: „Er hat als Kind schon immer viel gemalt und konnte sich schon immer gut mit sich selbst beschäftigen.“
So sind wir ja auch oft. Das ist bei Musikern auch nicht anders. Nur, weil sich einer auf die Bühne stellt und den Larry macht, heißt das ja nicht, dass der zuhause auch so ist. Das sind ganz oft auch ruhige und stille Typen. Das ist in unserem Bereich glaube ich ähnlich.

Ist das auch ein Grund warum soviel Wert auf Awards gelegt wird?
Sind die für einen selbst?

Matthias Hoffmann

  Bei uns Kreativen sind die für einen selber. Auf jeden Fall.
Es ist so wie eine Medaille, die man gewonnen hat. Für die gesamte Agentur gesehen, sind auch alle darauf stolz.
Man arbeitet dann auch lieber in einer Agentur, die im Kreativ-Ranking gut dasteht, als in einer, die eher beschissen dasteht. Nicht zuletzt hat das auch einen Anteil an Möglichkeiten, um Neukunden zu gewinnen.

Kann man mit jedem Kunden einen Award gewinnen, also auch mit der Bäckerei um die Ecke?

Matthias Hoffmann

  Viele Agenturen nehmen sich einen kleinen Kunden um damit einen Award zu gewinnen und sagen: „Wir machen dir eine Kampagne und du musst nichts dafür bezahlen.“ − Goldideen.
Dafür gibt es in vielen Agenturen extra Abteilungen, die nur das machen. Das ist nicht unser Ding. Wir finden das in gewisser Weise unfair, weil eine Idee auch in der Realität funktionieren muss und mit dem Kunden gemeinsam entwickelt worden sein sollte und nicht einfach nur aufgesetzt.

Bringt das denn überhaupt was? Guckt sich ein Neukunde nicht auch die Kampagne an, mit der ein Award gewonnen wurde?

Matthias Hoffmann

  Die meisten Kunden gucken sich Agenturen an, die schon Erfahrungen auf dem Gebiet der jeweiligen Branche gemacht haben. Dann ist es erst mal auch beiläufig, ob du dort Awards gewonnen hast. Sie beurteilen deine Arbeit. Wenn man dem Kunden aber noch das ganze Drumherum zeigt, wollen sie auch unterhalten werden und wenn man dann noch damit angeben kann, dass man mit der Kampagne noch diese und jene Awards geholt hat, finden sie das natürlich großartig.

»Werbung ist Show!«




Warum sind dekadente Szene-Events wie Cannes so stark verbreitet?

Matthias Hoffmann

  Die argonauten sind ja eher klein.
Wir waren zwar auch schonmal in Cannes, sind aber nicht diejenigen, die auf die eigens gecharterte Jacht eines Filmproduzenten eingeladen werden, mit dem man gearbeitet hat und der ganze 5-Sterne-Hotels mietet.

Wir sind eher die kleinen Zuschauer und haben nicht die riesigen Klassik-Etats, bei denen für einen TV-Spot mal zwanzig Millionen locker gemacht werden.

»Wir sind eher die Davids
bei den Goliaths.

Uns macht es Spaß, wenn wir mit kleinen Mitteln den Großen ans Bein pinkeln.«




Wir fühlen uns dann eher als Zuschauer auf diesen Großveranstaltungen.
Bei uns ist auch keiner Mitglied im ADC. Also bis jetzt hat es noch keiner geschafft, da eingeladen zu werden.

Man wird ja nur Mitglied, indem man von einem bestehenden Mitglied eingeladen wird. Ich glaube, man wird vorgeschlagen und kommt vor eine Jury, die dann darüber befinden, ob man es Wert ist, aufgenommen zu werden oder nicht.

Wenn man hier zum GREY-Netzwerk kommt, ist alles eher auf dicke Hose gemacht: Platz der Ideen, Fahnen, Schilder etc. Hat sich für euch durch den Umzug viel verändert?

Liane Korte

  Die Möbel sind jetzt neu.

Bei GREY darf jeder Mitarbeiter nur ein Bild an die Wand hängen. Ist das bei euch auch so?

Matthias Hoffmann

  Unsere Geschäftsführung ist da relativ locker und macht uns nicht viele Regeln. Die vertrauen darauf, dass wir unsere Arbeit gut machen.

Hat es für das Network-Gefühl viel gebracht direkt hier zusammen zu wohnen? Kennt man sich im Netzwerk?

Matthias Hoffmann

  Schon. Das sind auch prima Kerle. Es ist aber von der Unternehmenskultur ganz anders. Angefangen davon, dass es bei GREY auch viele ältere Leute gibt, die dir Werbegeschichten von vor dreißig Jahren erzählen können. Das suchst du bei uns vergebens. Aber wer weiß, vielleicht werden die argonauten auch mal so... GREY gibt es seit fast 100 Jahren und ist ganz anders gewachsen. Wir sind ein ganz kleines, junges Teilchen, das mit komischen Internet-Sachen angefangen hat und haben eine ganz andere Geschichte. Das spürt man auch.

Gibt es schlimme Kundenerlebnisse?

Matthias Hoffmann

  Wir waren bei einem Pitch mit fünf anderen Agenturen und hatten „nur“ eine Idee zu präsentieren. Der Kunde hat wohl erwartet, dass wir einen bunten Strauß an Ansätzen mitbringen.
Erstmal sind uns die Kinnladen runtergeklappt, dann standen wir total perplex da. Wir haben uns kurz angeguckt und uns besprochen, ob wir gehen sollen, haben uns dann aber gesagt, dass wir es dem Team schuldig sind, das mit uns drei Wochen Tag und Nacht an der einen Idee, an die wir geglaubt haben, gearbeitet hat. Also haben wir es durchgezogen, gute Laune zum bösen Spiel gemacht und das Ding bis zum Ende durchgerockt.

Das ist eigentlich auch ein schöner Aspekt, dass bei dem Job ein gewisser Show-Anteil dabei ist. Ich habe früher Musik gemacht und es gibt viele Beispiele in der Werbung, dass Leute aus der Musik oder anderen künstlerischen Bereichen kommen.

»Sich vor den Kunden zu stellen ist ja ein Stück weit wie auf eine Bühne zu gehen und den Laden zu rocken.

Auch wenn das Publikum meist relativ klein ist und eher schwierig.

Das macht aber auch Spaß.«




Am Anfang denkt man, man muss versuchen so zu sein wie der Kunde, was als Berater vielleicht auch tatsächlich der Fall ist. Aber man lernt dann − was eine schöne Erfahrung ist − dass man als Kreativer einen „Darfschein“ hat oder sogar von einem erwartet wird, dass man ein bisschen wilder ist.

»Der Kunde möchte kein Spiegelbild von sich selber haben, sondern man darf ihm ein Stück ‚Freiheit‘ präsentieren. Das ist ein schöner Effekt.«




Kannst du deinen Arbeitsalltag in fünf Worten beschreiben?

Liane Korte

  Jeder Tag ist eine Überraschung, man weiß nicht, was auf einen zukommt. Man muss flexibel sein.

Matthias Hoffmann

  Ich finde „Jeden Tag eine Überraschung“ schon ganz gut. Sind aber erst vier Worte. Überraschend, flexibel, herausfordernd, verrückt...


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Oliver Kapusta
Dennis May

DDB Group Düsseldorf

Stefan Scheer
Agentur Scheer

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argonauten G2 GmbH

Platz der Ideen 2
40476 Düsseldorf
www.argonautenG2.de






Interview mit:



Matthias Hoffmann

Matthias Hoffmann

Associate Creative-Director Advertising





Liane Korten

Liane Korte

Junior Art-Directorin Advertising


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